FAQ zum Buch Wie wir töten, wie wir sterben von Martin von Arndt. – Sie haben JavaScript in Ihrem Browser deaktiviert. Um den Inhalt der Tabs anzeigen zu können, brauchen Sie aber ein aktiviertes JavaScript. Wenn Sie nicht wissen, wie dies funktioniert, folgen Sie bitte der Anleitung unter diesem Link.
Wie wir töten
Ihr neuer Roman Wie wir töten, wie wir sterben spielt 1961 in Bonn und im Ruhrgebiet vor dem Hintergrund des Algerienkriegs. Ein äußerst blutiger Krieg, der zwischen Frankreich und seiner damaligen Kolonie Algerien geführt wurde. Wie kommen Sie auf das Thema?
Ich beschäftige mich schon seit Jahren intensiv mit den Folgen der europäischen Kolonialpolitik, auch mit der Frage der Restitution, der Rückgabe von geraubten Kunst- und Kulturgütern. Es war für mich Zeit, mich nun endlich erzählerisch mit dem Kolonialismus zu beschäftigen. Der Algerienkrieg gilt als letzter der großen Kolonialkriege des 20. Jahrhunderts, und er hat die Welt in den 1950er und 1960er Jahren in ihren Grundfesten erschüttert. Deshalb war das Thema für mich naheliegend.
Auf den ersten Blick scheint dieser Krieg relativ weit weg. Warum ist er auch für uns Deutsche interessant?
Es gibt einen spannenden Fakt, der hierzulande bislang fast unbekannt ist: dieser Krieg wurde auch auf bundesdeutschem Boden ausgetragen. Es gab französische Geheimdienstoperationen – vielmehr waren es Todesschwadronen –, die gezielt Exilalgerier und ihre deutschen Unterstützer in der BRD getötet haben. Ich bin davon überzeugt, dass es vor dem Vietnam- bereits der Algerienkrieg war, der politisch interessierte junge Menschen geprägt und dazu beigetragen hat, dass sich eine „68er-Bewegung“ formierte.
Sie verarbeiten in Wie wir töten, wie wir sterben ein weiteres politisches Thema: die Suche nach nationalsozialistischen Völkermördern in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Wie hängen die beiden Themen zusammen?
Verbindend ist für mich Menschenfeindlichkeit im Rechtsextremismus. Ich wollte schon lange einen Roman zum Thema Rechtsextremismus schreiben und dabei einen historischen Ansatz wählen. Auch um zu zeigen, dass die meisten sogenannten aktuellen Tendenzen von Rechts gar nicht so aktuell sind. Letztlich ist es immer dasselbe Geschwätz, das von Alt- und Neurechten zu hören ist. Die französische Rechte behauptete damals zum Beispiel, dass es in diesem Kolonialkrieg längst nicht mehr um Frankreich und Algerien gehe, sondern um die „weiße Rasse“, um die vermeintliche Überlegenheit der europäischen Zivilisation über „afrikanische Barbarei“. Putschversuche gegen de Gaulle wurden damit legitimiert, dass man in Notwehr handle, weil Frankreich von einem Diktator regiert werde, der eine „Umvolkung“ plane. „Wir holen uns unser Land zurück“ war ein Schlagwort dieser Zeit – das alles kommt uns leider nur allzu bekannt vor.
Gleichzeitig hat man in der Bundesrepublik in den 1960er Jahren erst so richtig damit begonnen, die Verbrechen der Nazizeit aufzuarbeiten. Deshalb wurde auch dies, die Suche nach bequem in der westdeutschen Gesellschaft untergetauchten Mördern, thematisch wichtig für den Roman.
Das Buch spielt zu großen Teilen im Ruhrgebiet Anfang der 1960er Jahre. Was verbindet Sie mit der Region?
Sie meinen, abgesehen davon, dass ich Fan des MSV Duisburg bin …?
Ich pendle seit einigen Jahren zwischen meinen Wohnsitzen im Württembergischen und im Ruhrgebiet. Immer, wenn es mir im Süden zu beschaulich wird, hole ich mir auf diese Weise „Metropolenluft“ ab. Ich mag das Ruhrgebiet, mag die direkte Art, in der kommuniziert wird. Ich liebe die bildhafte ruhrdeutsche Mundart, die ich in einigen Passagen des Buchs einzufangen versucht habe. Und natürlich ist der damals noch mehr oder weniger intakte Industriestandort der perfekte Hintergrund für einen Noir-Thriller. Vor allem, wenn man weiß, dass es in den 1960ern im „Pott“ zahlreiche Unterstützergruppen für geflüchtete algerische Unabhängigkeitskämpfer gab.
Also ist Wie wir töten, wie wir sterben ein dezidiert politischer Roman?
Das würde ich nicht sagen. Für mich ist es zugleich ein Roman über eine sehr eigenwillige Männerfreundschaft, die im Laufe des Buchs erwächst und herben Rückschlägen unterworfen ist. Vor allem aber ist es ein Buch über zwei nicht mehr junge Männer, die raus wollen oder raus müssen aus den Leben, die sie bisher gelebt haben – und die nicht ahnen, was sie in ihren neuen Leben erwarten wird.