Russische Autor*innen – Teil 2
Der Präsident der Russischen Föderation behauptet, es sei in Deutschland verboten, sich mit russischer Kunst, Musik und Literatur zu beschäftigen. Ein guter Grund für eine Reihe, in der ich – in aller Kürze – russische Autor*innen vorstelle. Bekannte, meist hierzulande aber weniger bekannte; viele haben mich tief beeindruckt.
Heute: SINAIDA HIPPIUS
Hippius gehörte wie Blok dem russischen Symbolismus an, lebte von 1869 bis 1945. Sie setzte sich für einen sozialrevolutionären Umsturz in Russland ein, war aber gegen die Bolschewiki, weswegen sie nach Paris ins Exil musste. Sie spielte mit Geschlechterrollen, lebte lange Zeit in einer „offenen Beziehung“. Obwohl mindestens so talentiert wie ihr Mann (Dmitrij Mereschkowskij), wurde sie, typisch für die Frauenfeindlichkeit der Kulturwelt im frühen 20. Jahrhundert, literarisch lange Zeit unterschätzt.
Die Uhr blieb stehn (in der Übersetzung von Roland Erb)
Die Uhr ist stehngeblieben. Und nichts regt sich jetzt mehr.
Es steht, ohn aufzuglühn, da drauß das Dämmrungsmeer.
Das schmutzige Geschirr auf kaltem Tischtuch harrt,
Gleich weißem Leichtentuch die Falte hängt herab.
Nicht flackert in der Lampe des Lichtstrahls Bogen auf.
Ich lausch dem tiefen Schweigen, wie man dem Feinde lauscht.
Verändert hat sich nichts hier, es hat sich nichts entfernt,
Doch jäh ward alles schwerer und strebt zurück zum Kern.
Verändert hat sich nichts hier, seitdem der Ton abbrach,
Doch wars, als schlöß man den geheimen Kreis mit Macht.
Und was wir ob der Knappheit und Leichte gern gesehn,
Ward jählings nun unsterblich und ewig – und so fremd.
War starr und war versteinert wie eines Toten Leib.
Ein Streben – ohne Schmerz. End – das zum End nicht reicht.
Der stummen Ewigkeiten tonlose Weis und Gehen.
Die Zeit ist angehalten. Die Uhr, die Uhr blieb stehn.
#StopWarinUkraine