Tsvetaeva

Russische Autor*innen – Teil 4

Der Präsident der Russischen Föderation behauptet, es sei in Deutschland verboten, sich mit russischer Kunst, Musik und Literatur zu beschäftigen. Ein guter Grund für eine Reihe, in der ich – in aller Kürze – russische Autor*innen vorstelle. Bekannte, meist hierzulande aber weniger bekannte; viele haben mich tief beeindruckt.

Heute: MARINA ZWETAJEWA

Zwetajewa lebte von 1892 bis 1941. Sie war eine der gefeierten Lyriker*innen des „Silbernen Zeitalters“ der russichen Literatur, stand zwischen Symbolismus und Akmeismus. Zu Sowjetzeiten lebte sie lange Zeit im Exil, entschloss sich aber 1939, in die UdSSR zurückzukehren. Eine fatale Entscheidung! Die Gängelungen durch den Innengeheimdienst und die aussichtslose existentielle Situation trieben sie schließlich in den Suizid.
Zwetajewas Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke zählt zum schönsten, was wir in sachen Dichter*innenfreundschaft in der europäischen Literaturgeschichte überhaupt kennen.

Der Drang nach Haus

Der Drang nach Haus! Ein dutzendmal
Absurdgeführtes Narrentreiben!
Mir ist es längstens so egal,
Wo ich vollkommen einsam bleibe,
Auf welchen Pflastersteinen heim
Ich torkle mit dem Einkaufsbeutel,
Ins Haus, das nichts vom Eigner weiß:
Spital, Kaserne armer Leute.
Mir ist es gleich, in welchem Ring
Mein Fell sich sträubt: umgarnter
Leu, aus welcher Menschen-Mitte
Gedrängt ich werde, ohne Erbarmen.
(…) Derart hat mich mein Land verheert,
Daß selbst der scharfäugigste Spitzel
Die ganze Seele, die Länge, die Quer,
Kein einzig Muttermal mehr findet.
Jedes Haus, mir fremd, jeder Dom: taub,
Und alles gleich, alles dieselbe Leere.
Aber wenn auf dem Weg – ein Strauch
Entflammt, vor allem – Vogelbeere …

#StopWarInUkraine